Chefpostendramatik

Die Weltgeschichte könnte mal wieder kaum spannender sein. Wir erfahren was ein Spitzenbanker macht, wenn er sich treiben lässt, und erleben ein Gerangel um die Besetzung eines Spitzenamtes, über dessen tatsächliche Spitzenmäßigkeit sich kaum etwas in Erfahrung bringen lässt. Es bietet sich an, vor der Wer-Frage die Weshalb-Frage zu stellen, wenn es darum geht, jemanden auf den Chefsessel des IWF zu setzen.

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Krieg erleben, Kriege führen

Letzten Freitag war die Welt in Ordnung. Der Prinz heiratete seine Prinzessin und jeder der zu Hunderttausenden in London anwesenden Gäste spürte, dass er am richtigen Ort war, in der Welthauptstadt für einen Tag. Ein kollektives Zufriedenheitsgefühl wohl, wie man es seit den 1990ern nicht mehr erlebte. Zwei Nächte später wurde anderswo auf den Straßen gefeiert. Den New Yorkern kann man die kollektiv gefeierte Erleichterung noch nachsehen, bei den gerade zwanzigjährigen Collegeboys, die überall in den USA auf die Straße rannten, fällt das schon schwerer. Doch ihnen ist eigentlich auch kein Vorwurf zu machen. Sie können sich an die Unbekümmertheit der 90er nicht erinnern, ihr halbes Leben wurden sie mit bin-Laden-Tonbändern vollgedröhnt und nun ist er endlich tot.

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Mitmachen, Bessermachen, Rumnölen

Die Reflexe funktionieren noch. Gott sei Dank, denn ohne sie, bliebe von der deutschen “politischen Blogosphäre”* beinah nichts. Die Herren um “netzpolitik.org” haben einen Verein gegründet, die “digitale Gesellschaft”. Doch statt das internetgestützte Engagement begeistert zu begrüßen oder wohlwollend zu ignorieren entschied man sich vielerorts für den dritten Weg, mit dem beinah jede politische Regung in- und außerhalb des Internets begleitet wird: Man hört davon und regt sich auf. Die Kritikpunkte in einem Satz: Die digitale Gesellschaft ist ein abgeschotteter Lobbyverein, der sich anmaßt, die „Netzgemeinde“ zu vertreten und vom Publikum Leistung einfordert, ohne Mitsprache einzuräumen.

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Was er müsste (und was er könnte)

Eine der aktuell beliebten Zeitdiagnosen gipfelt darin, der Politik vorzuwerfen, sie entscheide und handle nur auf Sicht mit einer Perspektive von maximal 5 Jahren. Allzu leicht lässt sie sich von Volk und Medien beeindrucken, hänge ihre Fähnchen in den Wind und wäre rückgratlos opportunistisch. Der zu häufig vorkommende politische Aktionismus scheint das sogar zu bestätigen. Doch letztlich ist es eine zu schnelle Diagnose. Sie ignoriert, dass Parteien nicht nur –zig, sondern Zehntausende Mitglieder haben, dass die Regierung nicht nur aus einem prominenten Kabinett, sondern einem Beamtenapparat besteht, dessen Personalstärke in Tausenderschritten gerundet wird und dass das Parlament nicht nur aus Fraktionsvorsitzenden und –geschäftsführern besteht, sondern über 600 Personen umfasst, die allein aus gegenseitiger Unbekanntheit nicht zur gemeinsamen, heimlichen Intrige gegen die ‚zukünftigen Generationen‘ befähigt sind.

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Ende der Kreditfähigkeit

Der Begriff Kredit verweist auf das Aufschieben von Zahlungen. Diese einfachste Form der Begriffsverwendung ist massenmedial inzwischen so präsent, dass die eigentliche Funktionsweise schon nicht mehr behandelt wird. Anstatt Tatsachen zu erklären, wird einfach auf den tradierten Begriff Kredit (als massenmedial taugliches Schema) zurückgegriffen und schon ist die Lage Irlands, Griechenlands, der Frankfurter Rundschau und die von 1860 München beschrieben: Diese Länder und Institutionen haben Schulden, die sie nicht bezahlen können – sie stehen vor tief greifenden Veränderungen.

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Expertenkommissionen im atompolitischen Wahlkampf

Sichere „Regierungstechnik“ oder unkontrollierbares „Rest-Risiko“?

Im politischen Kräftemessen wird so manches gesellschaftliche Problem in den verstrahltesten Semantikmüll verpackt – und vielleicht wird auch der Begriff des Rest-Risikos am Ende der medialen Verwertungskette bei einem letzten Recycling in ein Unwort des Jahres gekleidet. Ausgangspunkt für diese bunte Wortschöpfung war diesmal nicht die globale Finanzkrise, sondern die unfassbare Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan. So pervers der beobachtete Zusammenhang auch ist, er war politisch folgenreich: Die mediale Berichterstattung über die Lage in Fukujima hat in Deutschland das Thema Atompolitik erneut resonanzfähig gemacht.

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Brüderles einfache Welt

Heute war wieder einer der „Lehrbuchtage“. Ein Tag, an dem ein dozierender Sozialwissenschaftler sein Notizbuch zückt und die Kuriositäten der sozialen Wirklichkeit notiert um empirisches Dekomaterial für kommende Theorieveranstaltungen zu haben. Für ein Uni-Seminar ist das gut und witzig, für den Vorgeführten eher nicht. Heute traf es Bundesminister Rainer Brüderle.

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Politische Reflexion im Wohlfahrtsstaat

“Die Politik stößt gegenwärtig an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Die Illusionen des Wohlfahrtsstaates zerbrechen, seine ungewollten Nebenfolgen konterkarieren längst seine guten Absichten: Der Wohlfahrtsstaat gerät zwischen die Mahlsteine der Probleme, die er selbst verursacht. Die Politik re(a)giert ratlos.” So steht es seit 30 Jahren auf der Rückseite eines der sonderbarsten Texte der politischen Soziologie, das Niklas Luhmann mit dem Titel “Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat” schrieb.

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Stottern im Maschinenraum, Captain gefordert

Ich habe heute Michael Ballhaus in einem kurzen Interview gesehen. Er äußerte sich besorgt über das moderne Kino. Nachdem alle technischen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, kann man „die Menschen nicht mehr überraschen, weil sie wissen, dass alles möglich ist.“ Er ist an dieser Stelle ganz Kameramann, denn was für den Filmingenieur ein Problem darstellt, ist für den Regisseur eine willkommene Herausforderung – die Gestaltungsmöglichkeiten sind nämlich noch längst nicht erschöpft. Gerade die ausgereifte technische Raffinesse bietet das sichere Fundament für ganz neue Spielereien mit den Möglichkeiten der Drehbuch- und Schauspielarbeit.

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Humor als letzter Versuch ernster politischer Diskussion

Hm. Was soll man von dem Tag heute halten..? Ich durchfliege in Gedanken all die Bücher, die ich zum Thema Politik gelesen habe, und stelle fest, es hat sich etwas Neues ergeben. Statt mit Resignation oder Moralisierung reagieren plötzlich ganze Publikumsteile der Politik mit Humor. Und zwar nicht zu knapp. Es wird nicht nur an einem Thema angesetzt, das kräftig durch den Kakao gezogen werden kann, sondern es werden alle aktuellen Sachthemen beiseitegelassen und eine Person, die vormals als Teilnehmer die politische Kommunikation dominierte, wird selbst zum Thema gemacht. Obwohl sie genau dies durch die eigene Rückzugsentscheidung eigentlich vermeiden wollte.

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Politik(er) zwischen Wahrheit und Gefallen

Die Geschichte zum Fall Guttenberg findet so langsam ihren Abschluss. Zumindest gibt es nur noch zwei Alternativen. Entweder der Minister tritt aufgrund persönlicher Untauglichkeit zurück und es geht weiter wie bisher. Oder der Minister bleibt und weite Teile Deutschlands warten resigniert auf die nächste Bundestagswahl. Es ist Zeit zu resümieren und zu fragen, was sich aus dem ganzen Theater lernen lässt.

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