Dr. plag. (plagium)

Lügenbaron

Roland Preuß schlägt in der heutigen Ausgabe der SZ auf der Meinungsseite vor, Plagiate verjähren zu lassen und bezieht sich dabei direkt auf die Diskussionen rund um die Doktorarbeit von Anette Schavan. Dieser (inhaltlich wie praktisch abstruse) Vorschlag ist für mich besonders interessant, weil er einen zentralen Aspekt der Diskussionen widerspiegelt. Es geht dabei um eine differenzierungstheoretische Perspektive. So lässt sich das Ringen um Wahrheit und politische Hoheit als ein Wechselspiel von Eingriffs- und Schließungsversuchen von Wissenschaft und Politik verstehen. Im Kern lautet die Forderung von Roland Preuß, die erfolgreiche Plagiatsprüfung von dem Entzug des Titels zu trennen: Weiterlesen →

Das Eigenrecht der Hauptversammlung

Ein Vergleich zwischen der Nutzung von Stimmrechten und anderen Einflussmitteln

Kommunikation beginnt beim Verstehen. Es kann dabei nicht um richtiges Verstehen gehen, denn selbst einfach mal Klartext zu reden, bleibt eine psychische Utopie. Sie kann nur sozial, also kommunikativ fingiert werden. Der Anspruch authentischer Kommunikation konfrontiert nicht nur Autor und Publikum mit kognitiven Grenzen, sondern auch die Motive und Gedanken hinter der Mitteilung oder hinter dem Verstehen können nicht restlos geklärt werden.[1] Und wenn so zwangsläufig der Selbstinszenierungs- oder Manipulationsverdacht bei jeder Kommunikation mitläuft, machen sich Einzelne verdächtig, damit beeindrucken zu wollen, dass sie nun aber doch meinten, was sie sagten. Ein paradoxer Effekt: Wer sich also um Klartext bemühen muss, der hat anscheinend andere Gründe zu verbergen.[2] Diesmal mag sich das Eigenrecht der Situation danach zu Gunsten Herrn Seehofers wenden.[3] Es hätte jedoch auch ganz anders ausgehen können. Die nächsten Nachbemerkungen werden nicht mehr so leicht politisch ummünzbar sein, denn Wiederholungen sind selten noch authentisch.

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Was man am Goldman Sachs Skandal lernen kann

Über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Kommunikation von Lernfähigkeit

In Zeiten einer täglich neu ausgerufenen und diskutierten Finanzkrise (auf kriegsdeutsch: Finanzschlacht, Schuldenfeuer, EZB-Operation Bertha) ist der Informationsdruck hoch, um die Themenschwelle der Agenda zu überschreiten und gesellschaftliche Resonanz zu erzeugen. Resonanz im Mediensystem richtet sich nach den sogenannten Nachrichtenfaktoren, zu dessen verbreitester Maxime wohl die Formel des only bad news is good news zählt. Schlechte Nachrichten für die Investmentbank Goldman Sachs war das öffentliche Kündigungsschreiben (Why I am leaving…) eines ehemaligen Mitarbeiters.

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Dürfen, können, wollen (nicht)?

Drei andere Kategorien sozialer Ungleichheitsforschung

Die Situation von Frauen in Europa bewegt sich zwischen drei Positionen: Sie dürfen, können oder wollen nicht so richtig inkludiert werden wie ihre männlichen Artgenossen. Die gängige Zeitdiagnose ist: Der Heiratsmarkt sichert Frauen nach wie vor besser ab als der Arbeitsmarkt, schreibt Jutta Allmendinger in der neuesten Ausgabe Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ). Geschlecht sei eine der zentralen Kategorien bei der Untersuchung sozialer Unterschiede in vormodernen wie modernen Gesellschaften. Ihre Evidenzen generiert sodann die postmoderne Ungleichheitsforschung und Strukturanalyse methodisch weitgehend über multivariate Regressionsmodelle und qualitative Biografieforschung. Medial vielzitiert sind v.a. die OECD-Berichte über die Babies and Bosses, die sich auf eine umfangreiche Datenbasis stützen und dabei die Gewinne und Verluste politischer Programme unterschiedlicher Länder erheben, visualisieren und vergleichen.

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Verliebt, verlobt, Verfahren

Der Fall DSK aus rollentheoretischer Sicht

Der Vorhang des Gerichtsverfahrens gegen den ehemaligen geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IMF) ist vor gut einer Woche gefallen. Vergangenen Montag ging er in den Headquarters des Bretton-Woods Pfeilers noch ein letztes Mal auf, als sich der einstige Chef von seinen ehemaligen Kollegen verabschiedete und unter warmen Applaus im Auditorium empfangen und gegangen wurde.

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Expertenkommissionen im atompolitischen Wahlkampf

Sichere „Regierungstechnik“ oder unkontrollierbares „Rest-Risiko“?

Im politischen Kräftemessen wird so manches gesellschaftliche Problem in den verstrahltesten Semantikmüll verpackt – und vielleicht wird auch der Begriff des Rest-Risikos am Ende der medialen Verwertungskette bei einem letzten Recycling in ein Unwort des Jahres gekleidet. Ausgangspunkt für diese bunte Wortschöpfung war diesmal nicht die globale Finanzkrise, sondern die unfassbare Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan. So pervers der beobachtete Zusammenhang auch ist, er war politisch folgenreich: Die mediale Berichterstattung über die Lage in Fukujima hat in Deutschland das Thema Atompolitik erneut resonanzfähig gemacht.

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Famelab – Ein direkter Weg hinaus aus der Wissenschaft

Zwischen Wissensproduktion und Wissenspräsentation liegen Welten. Für wissenschaftliches Wissen fällt dieser Unterschied vielleicht am deutlichsten aus. Studierende in den ersten Semestern erfahren den Unterschied zwischen Produktion und Präsentation wissenschaftlichen Wissens in gähnend langweiligen Vorlesungen auf eine besonders schmerzvolle Weise. Hochdekorierte Forscher halten Vorlesungen, denen man beim besten Willen nicht folgen kann. Monotone Monologe über Monopole.

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Too fast for Love – Systems theory´s Mimicry

Systems theory is, doubtless, a controversial and contentious field of sociological theory-building. Nonetheless or rather because of it, the theory seems to, to a surprisingly great extent, attract critics – may that be critique uttered by social scientists or students. The matter by itself is, of course, not actually surprising as science is based upon the ongoing process of criticizing the work of others. What, indeed, stuns is the quality of most of the critiques – or better: the lack of quality most discussions are characterized by and their willingness to abide by this standard – if that.

In the course of time one happens to grow accustomed to the fanciest critiques. They range from “where is the subject/ actor” to “oh, way too complicated”. The favorite is for sure: no one outside of Bielefeld uses Luhmann. All this stuff is ideally suited to make an earnest observer crack up. And, by the way, it doesn´t really matter if the critique comes from most scientific articles or is uttered in a seminar: the bottom line is always the same. Let´s just take this classic regional thing: one tends to the assertion that the analytical value of a theory doesn´t depend upon its regional use – especially not of the use in or outside of Bielefeld. Obviously, for some obscure reasons, this just doesn´t seem to be right for the users of the regional argument… Incidentally… yes, the coinjoinability of science is the main counterargument. But to be earnest: measured by the publications as to systems theory the theory doesn´t run the risk of vanishing but rather to play, admittedly, a smaller role in today´s sociology which is truly kind of scaring as other theories normally don´t match systems theory´s level of dissolving everyday life categories and re- describe them.

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Zur Transformation von Werten

…in das Schema politischer Probleme und Interessen am Beispiel „Sicherheitspolitik“

Die Ausgangsthese von Niklas Luhmann lautet: Interessenkonflikte sind letztlich triviale Konflikte, denn sie können vermittelt werden – sei es durch Kompromisse, Geldzahlungen, Drohungen und Gewalteinsatz. Religionskonflikte, ethische und Identitätskonflikte über nicht verhandlungsfähige Werte sind dagegen nicht politisierbar (2000: 218). Die anschließende These soll sein, dass unter einer vermeintlichen Friedens- und Sicherheitspolitik „Werte“ in das Schema von „Interessen“ und „Problemen“ transformiert werden (können) und damit politisch verhandelbar werden (bzw. scheinen).

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