Ende der Kreditfähigkeit

Der Begriff Kredit verweist auf das Aufschieben von Zahlungen. Diese einfachste Form der Begriffsverwendung ist massenmedial inzwischen so präsent, dass die eigentliche Funktionsweise schon nicht mehr behandelt wird. Anstatt Tatsachen zu erklären, wird einfach auf den tradierten Begriff Kredit (als massenmedial taugliches Schema) zurückgegriffen und schon ist die Lage Irlands, Griechenlands, der Frankfurter Rundschau und die von 1860 München beschrieben: Diese Länder und Institutionen haben Schulden, die sie nicht bezahlen können – sie stehen vor tief greifenden Veränderungen.

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Expertenkommissionen im atompolitischen Wahlkampf

Sichere „Regierungstechnik“ oder unkontrollierbares „Rest-Risiko“?

Im politischen Kräftemessen wird so manches gesellschaftliche Problem in den verstrahltesten Semantikmüll verpackt – und vielleicht wird auch der Begriff des Rest-Risikos am Ende der medialen Verwertungskette bei einem letzten Recycling in ein Unwort des Jahres gekleidet. Ausgangspunkt für diese bunte Wortschöpfung war diesmal nicht die globale Finanzkrise, sondern die unfassbare Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan. So pervers der beobachtete Zusammenhang auch ist, er war politisch folgenreich: Die mediale Berichterstattung über die Lage in Fukujima hat in Deutschland das Thema Atompolitik erneut resonanzfähig gemacht.

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Semantikmüll: „Rest-Risiko“

Die Atomkraft-Diskussion hat erfreulicher Weise wieder Fahrt aufgenommen. Durch die neuen Gewissheiten, was alles nicht nur als Möglichkeit, sondern inzwischen als harte Realität anzusehen ist, ist es sogar gelungen, das Sicherheitsgefasel vorläufig oder endgültig ad absurdum zu führen. Das ist ein erster Punktsieg – es geht jetzt um das Risiko.

Allerdings dreht sich die Diskussion nun um die Idee eines „Rest-Risikos“, so war es heute vor allem in Bundesrat zu hören und es ist zu befürchten, dass diese Idee die kommende Debatte dominiert. Die Politik hat nämlich, in welcher strategischen Absicht auch immer, eine semantische Nebelkerze geworfen, deren Verblendungspotenzial auf drei Säulen beruht: „Rest-Risiko“, „politisches Moratorium“ und „technische Überprüfung“.

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Politische Reflexion im Wohlfahrtsstaat

“Die Politik stößt gegenwärtig an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Die Illusionen des Wohlfahrtsstaates zerbrechen, seine ungewollten Nebenfolgen konterkarieren längst seine guten Absichten: Der Wohlfahrtsstaat gerät zwischen die Mahlsteine der Probleme, die er selbst verursacht. Die Politik re(a)giert ratlos.” So steht es seit 30 Jahren auf der Rückseite eines der sonderbarsten Texte der politischen Soziologie, das Niklas Luhmann mit dem Titel “Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat” schrieb.

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Soziale Ausglegungsfälle

Im letzten Artikel ging es um die auf jede größere regionale Naturkatastrophe mittlerweile folgende globale Kulturkatastrophe. Der Zwang, eine Atomkatastrophe wie die in Japan mitzuerleben, führt dazu, das der bestehende Semantikapparat, der für Diskussionen seit Jahren und Jahrzehnten genutzt wird, ein geändertes strukturelles Fundament bekommt. Aus manchen Befürchtungen wurden Gewissheiten aus vielen Vermutungen wurden harte Fakten.

Im momentanen Ablauf der Krise erhärtet sich dabei langsam aber sicher eine Erkenntnis, die eventuell höherer Aufmerksamkeit bedarf, wenn das momentan zu lösende Problem hinreichend abgekühlt ist. Man sieht schon, der aktuelle Fall dient nur als Metapher.

Die Idee, dass Industrieanlagen auf irregulären Ablauf hin ausgelegt werden müssen und dass eine Grenzziehung zwischen Denkbar und Planbar (GAU) und Denkbar aber Unplanbar (Super-Gau) zu ziehen ist – ein „Rest“-Risiko also gesehen aber nicht mit kalkuliert wird – ist ein Zugeständnis an die Wirklichkeit, das nicht nur naturwissenschaftlich-technische, sondern auch soziale Riesenmaschinen betrifft.

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Katastrophal aber lehrreich (update)

Die Zeiten sind verrückt. Beinah wöchentlich erleben wir nachrichtentaugliche Katastrophen. Flut in Pakistan, Feuer / Überschwemmung in Australien, Erdbeben in Neuseeland, Erdbeben in Japan, Tsunami im Pazifikraum. Diese Naturkatastrophen sind verheerend und relativ regional – da durch die Berichterstattung jedoch weltweit Betroffenheit und konkrete Hilfsbereitschaft ausgelöst werden, ruft jede größere, regionale Naturkatastrophe inzwischen eine globale Kulturkatastrophe hervor.

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Stottern im Maschinenraum, Captain gefordert

Ich habe heute Michael Ballhaus in einem kurzen Interview gesehen. Er äußerte sich besorgt über das moderne Kino. Nachdem alle technischen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, kann man „die Menschen nicht mehr überraschen, weil sie wissen, dass alles möglich ist.“ Er ist an dieser Stelle ganz Kameramann, denn was für den Filmingenieur ein Problem darstellt, ist für den Regisseur eine willkommene Herausforderung – die Gestaltungsmöglichkeiten sind nämlich noch längst nicht erschöpft. Gerade die ausgereifte technische Raffinesse bietet das sichere Fundament für ganz neue Spielereien mit den Möglichkeiten der Drehbuch- und Schauspielarbeit.

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Emotionalität & Adressabilität

Dieser Text (Der Wutbürger – eine kleine Soziologie für Einsteiger und Unterhaltungsbedürftige) ist eine Leseempfehlung wert. Zum einen, weil er die passende Überschrift für den Argumentationsversuch wählt und zum anderen, weil er Wut als eine Form (instrumenteller) Emotionalität nicht aufgrund von psychischen Dispositionen erklärt, sondern explizit auf der sozialen, kommunikativen Ebene bleibt. Auch wenn ich dem Text inhaltlich nicht unbedingt zustimme, dient er als guter Hinweisgeber für ein Thema, das seit Beginn soziologisch interessant ist aber auch immer das Risiko in sich trägt, an zu hohen Ansprüchen zu scheitern oder auf halben Wege zu entgleiten in Vermutungen, Spiritualität oder wissenschaftliches Terrain, auf dem sich Soziologen stets verirren (vornehmlich Psychologie). Ein kleiner Beitrag zum Phänomen des „Wutbürgers“.

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Humor als letzter Versuch ernster politischer Diskussion

Hm. Was soll man von dem Tag heute halten..? Ich durchfliege in Gedanken all die Bücher, die ich zum Thema Politik gelesen habe, und stelle fest, es hat sich etwas Neues ergeben. Statt mit Resignation oder Moralisierung reagieren plötzlich ganze Publikumsteile der Politik mit Humor. Und zwar nicht zu knapp. Es wird nicht nur an einem Thema angesetzt, das kräftig durch den Kakao gezogen werden kann, sondern es werden alle aktuellen Sachthemen beiseitegelassen und eine Person, die vormals als Teilnehmer die politische Kommunikation dominierte, wird selbst zum Thema gemacht. Obwohl sie genau dies durch die eigene Rückzugsentscheidung eigentlich vermeiden wollte.

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Politik(er) zwischen Wahrheit und Gefallen

Die Geschichte zum Fall Guttenberg findet so langsam ihren Abschluss. Zumindest gibt es nur noch zwei Alternativen. Entweder der Minister tritt aufgrund persönlicher Untauglichkeit zurück und es geht weiter wie bisher. Oder der Minister bleibt und weite Teile Deutschlands warten resigniert auf die nächste Bundestagswahl. Es ist Zeit zu resümieren und zu fragen, was sich aus dem ganzen Theater lernen lässt.

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#Guttbye Talking Points

Es sieht so aus, als ob die Strategie der Banken auch für Guttenberg aufgeht. Statt ein einzelnes, kleines Vergehen zu verüben, sammelt er einen großen Haufen von Vergehen, Verstrickungen und eventuell auch Verbrechen an – sodass am Ende alle den Überblick verlieren. Banken sind milliardenschwer und „systemrelevant“, Guttenberg strickt sich daraus eine gegen ihn gerichtete, möglichst diffuse Kampagne, die er entsprechend thematisiert (bzw. thematisieren lässt).

Den Überblick zu behalten ist also leicht erschwert. Es lohnt sich allerdings, die einzelnen Punkte, die bislang aufgelaufen sind einmal zu ordnen und so zusammenzufassen, dass die Brisanz jedes einzelnen Aspekts des Fall Guttenbergs deutlich und kommunikabel ist. Eine kleine Liste:

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Reputation als Kredit

Die gestrige Anne-Will-Sendung war, wie jede Ausgabe die ich bisher davon (zumeist teilweise) sah, wieder einmal kaum zu unterbieten. Das lag zum einen an den Gästen. Hauptsächlich jedoch daran, dass es sich um ein Medienangebot für Jedermann handelt, in dem Sätze mit Teilen wie „…ein Plagiat…“ von der Moderatorin unterbrochen wurde, um zu erklären, dass es in dem Satzteil um „…hat abgeschrieben“ geht. So etwas ist schade und auch unverständlich, weil die ARD an Sonntagabenden sowieso nicht das Publikum hat, dass daraus noch etwas lernt. (Außerden vermute ich, dass die erste und die letzte Frage der Sendung die exakt gleiche war. Vielleicht hat jemand Lust, das nachzusehen.)

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