Ein Reich in Bewegung

Ende 1918 wäre Prinz Max von Baden beinahe „Reichsverweser“ geworden, ein kommissarischer Kaiser, und Deutschland Monarchie geblieben. Doch kaum ist Wilhelm II. abgesetzt, wird die Republik ausgerufen. Um das deutsche Kaiserreich ranken sich auch nach einem Jahrhundert noch allerlei Mythen und Vorurteile – es überwiegt das Bild von Stechschritt und Pickelhaube. Die Historikerin Hedwig Richter erinnert an Aufbrüche, Reformen und soziale Bewegungen der fast fünf Jahrzehnte währenden Reichsgeschichte. 

Personaltableau einer Epoche: Die Familie Hohenzollern feiert im Juni 1913 im Berliner Stadtschloss das 25. Kronjubiläum Wilhelms II. Ein Jahr vor dem Krieg scheint die Dynastie sicher. Im ganzen Reich läuft zu dieser Zeit die Imagekampagne „Unser Kaiserpaar“: Postkarten für die Erwachsenen, Bastelhefte für die Kinder. Bild: Fotolia.
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Digitale Revolution ohne Verantwortung?

Sascha Lobo ist sicher nicht der einzige, aber sicherlich ein relativ prominenter Vertreter, der wiederholt mehr E-Government und mehr Mitbestimmung, bzw. Bürgerbeteiligung durch das Internet fordert. Aktuell tut er dies via Spon und schließt:

Was wir jetzt nicht brauchen, sind keine Experimente. Und die müssen so lange durchgeführt werden, bis ausreichend viele und unterschiedliche Leute mitmachen.

Mitbestimmung oder Bürgerbeteiligung via Internet, oder jetzt Neudeutsch: E-Government, klingen ideal, wünschenswert und erfreulich. Das virtuelle ‚Hurra, jetzt geht es los‘-Geschrei scheint einem fast aus jedem solcher Statements entgegen zu kommen. Doch es passiert nichts. Seit Jahren übrigens. Und dass, obwohl technisch längst alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Die digitale Revolution des politischen Systems bleibt aus. Und das hat Gründe.

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Die Grünen – Zurück zu sich selbst?

Die Grünen hätten das Verhältnis zu sich selbst verloren, kritisiert Georg Diez im aktuellen SZ-Magazin. Er bezieht sich dabei in erster Linie auf die Aussagen eines resignierten Mitbegründers der Grünen, Ludger Volmer. Ich frage mich bei solchen Thesen immer, was denn dieses ominöse „Selbst“ sein soll, das irgendwo verloren gegangen ist. Die Frage ist deshalb soziologisch höchst interessant, weil die typische Antwort in der Regel so unsoziologisch daher kommt, dass man sich dazu genötigt fühlt, für etwas soziologische Aufklärung zu sorgen.

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EP-Wahl: Europafeindlichkeit, Demokratiedefizit – wie problematisch ist das? (Update)

Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen hat es sich gestern wieder besonders einfach gemacht. Die 90-Min.-Wahlberichterstattung ab 18 Uhr verlief zusammengefasst so: CDU/CSU, besonders Seehofer, durfte frei in die Kameras sprechen und sich als, trotz Stimmenverlust, Sieger darstellen. Bei der LINKEn wurde es dann investigativ, Gysi durfte nur auf freche und kritische Fragen antworten, erhielt aber kein unkommentiertes Verlautbarungszeitfenster und ausländische Parteien, die als „europafeindlich“ gelten, durften gar nicht mehr selbst zu Wort kommen, sondern wurden nur noch mit Besorgnis und Stirnfalten kommentiert.

Wenn man das Europabild der Öffentlich-rechtlichen teilt, passt das natürlich alles ins Bild: Europa ist die politische Bühne der euro-lauteren Parteien, die das politische Gefüge ehren und sich in ihren Regionen durchsetzen. Europakritik ist nicht so gern gesehen und muss, da vorhanden, zumindest kritisch hinterfragt werden. Europagegner sind dagegen Sorgen bringende, unwürdige Entitäten, deren Hinterfragung unerheblich ist, da sie schlicht die Bösen sind.

Dies alles beruht dabei auf einem phänomenalen Informationsvorsprung der GEZ-Kanäle: Sie wissen, was Demokratie ist und sie wissen, wie man Europa demokratisieren kann, während Politikwissenschaftler noch grübeln und Soziologen desinteressiert oder unsicher abwinken.

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Politik/Recht und das Technologieverstehdefizit

Irgendwann die Tage wurde ein „internationales Spionagenetzwerk“ im Internet gefunden, dass anscheinend vor allem die hohe Politik im Visier hatte. Tausende von Computern und hunderte von Amtsträgern sind betroffen. Die 20-Uhr-Tagesschau ergänzte die Berichterstattung mit dem zitierten Hinweis:

„Das Internet sei zu undurchsichtig um Schuldzuweisungen machen zu können.“

Allerdings ist es nicht nur das Internet, dass durch Undurchsichtigkeit politische Entscheidungen und rechtliche Konsequenzen erschwert, es ist die ganze moderne Technologie. Hier nur ein paar Themen, die zu dieser Misere beitragen: Weiterlesen →

Probleme und Lösungen der Betroffenen-Demokratie

Weniger (Beteiligung) ist mehr (Demokratie)

Es geht um ein Problem, für das wir eine Lösung suchen. Für klassische Demokratietheorien gestaltet sich die Problem-Lösung danach, dass man das „Wir“ zugleich als Lösung postuliert. Die systemtheoretische Konzeption von Demokratie identifiziert dagegen in kontra-intuitiver Manier das „Wir“ als Problem.

Zum „Wir“ als Lösung

Dieses „Wir“ wird im Allgemeinen über eine möglichst breite Beteiligung der Betroffenen an einer Entscheidung erreicht. Gemäß des „Rights&Risks-Ansatzes“, der demokratische Legitimität nach der Repräsentation der Rechte und Risiken der Betroffenen bemisst, wird die „Herrschaft des Volkes“ normativ interpretiert: Teilhaben als Teilsein. Diese vermeintlich demokratische Formel hat sich in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Semantiken wie „Bottom-Up“, „Diversity Management“ oder „Multi-stakeholder Governance“ festgesetzt. Gerade die Governance-Perspektive hat insbesondere über das politische System hinaus Resonanz gefunden. Wo diese nicht wirkte, wurden Beteiligungsquoten für „repräsentationsschwache“ Gruppen (Frauen, SeniorInnen, MigrantInnen, Kinder etc.) eingeführt, um „ungerechten“ und „undemokratischen“ Entscheidungen vorzubeugen.

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Democracy (Charles Tilly, 2007)

REZENSION

Die Demokratie. Ein großes Thema für 200 Seiten Text in acht Kapiteln, die der im April 2008 verstorbene Charles Tilly ein Jahr zuvor vorgelegt hat. Er zieht mit diesem Buch eine auch für interessierte Leser außerhalb der Wissenschaft gut lesbare Bilanz seiner jahrzehntelangen Forschung über die Entstehung moderner Gesellschaften. Sein besonderes Augenmerk lag auf sozialen Bewegungen und Contention: „Streit“. Er prägte damit nicht zuletzt einen konflikttheoretischen Strang der politischen Soziologie mit. Weiterlesen →

Macht den Unterschied!

Das Problem der doppelten Ununterscheidbarkeit

Mit Bezug auf die Landtagswahlen im Frühjahr 2008 liest man in den Kommentierungen von Presse, Politik und Politischer Wissenschaft, die deutsche Parteienlandschaft sei „in Bewegung“ und erlebe einen Strukturwandel. Dabei wird auf die Schwierigkeit verwiesen, Regierungen zu bilden, denen zumindest mittelfristig Stabilität zuzutrauen ist. Die sich aktuell in westdeutschen Parlamenten konsolidierende Fünf-Parteien-Konstellation aus DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FDP und CDU erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass keine der beiden „großen“ Parteien SPD und CDU als klarer Sieger den Regierungsauftrag für sich reklamieren oder die eine nicht ohne die andere regieren kann. Gründe dafür sind u.a., dass

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Die strategische Inszenierung einer Naturkatastrophe

Es sind nicht die ersten Leichen, die den Weg der chinesischen Führung begleiten. Aber seit dem sich die Welt nicht mehr in kapitalistische und sozialistische Blöcke teilt, gab es wohl kaum einen Zeitpunkt an dem die zahlreichen Toten für die politische Führung Chinas günstiger waren als der jetzige mit den Erdbebenopfern in Südwestchina. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Zahl der Opfer die Marke von 100.000 überschreitet. Die Medienberichte nehmen kaum ein Ende, täglich gibt es neue Bilder, Berichte, Filme und Kommentare aus dem Katastrophengebiet, was nicht zu letzt auf Grund einer bis hierhin nie gekannten chinesischen Offenheit gegenüber internationalen Presseberichten möglich ist. Die Führung Chinas präsentiert sich in öffentlicher Trauer, doch man wird vermuten müssen, dass ihr die Toten geradezu willkommen sind.

An dieser Stelle werden sich die ersten Abwehrreaktionen zeigen und der geneigte Leser wird sich irritiert bis empört fragen, wie ich denn nur so etwas Absonderliches und Unverschämtes unterstellen könne. Es erscheint kaum vorstellbar, dass eine Regierung die Toten der eigenen Bevölkerung durch eine Erdbebenkatastrophe als politisch wertvoll einstufen wird. Gerade diese kontraintuitive These und die durch sie hervorgerufene Abwehrreaktion ist für mein Argument jedoch sehr lehrreich.

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