Personen, Ämter, Apparate

Es war lustig und verständlich, als Wolfgang Schäuble in seiner damaligen 100.000-Mark-Show der Öffentlichkeit mitteilte, er wisse nicht, mit wem er sich im Laufe seiner Amtszeit getroffen habe, er wolle aber seinen „Terminkalender daraufhin sichten lassen“.

Dieser Wortlaut ist ein interessantes Indiz. Es zeigt, wie sehr Politiker in einer Welt, oder besser: einer Gegenwart, leben, die sie fast nicht mitgestalten. Sie sind angetreten die Welt zu verändern, doch sie haben nicht mal die Übersicht über ihre eigenen Tagesabläufe. Sie werden ihnen bereitet, sie vollziehen sie und vergessen sie sogleich wieder. Eine wichtige Person in einem hohen Amt muss sich auf ihren Apparat verlassen.

Die Kanzlerin beispielsweise hat für ihre Amtsführung einen eigenen Bundesminister und verfügt über ein Jahresbudget von 1,94 Milliarden Euro. Im Grundgesetz kann man sich über das Kanzleramt informieren und in den geschriebenen Biographien über Angela Merkel. Wolle man aber wirklich etwas Interessantes über die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Amtsführung erfahren, muss man sich an den laufenden Kanzleramts-Apparat wenden. Und mit der Person A. Merkel hätte man wohl währenddessen nie etwas zu tun. Nur wenn etwas Größeres misslingt, dann muss sie sich erklären.

Mit dem Bundespräsidenten verhält es sich wohl kaum anders. Fast niemand, der mit dem Bundespräsidialamt zu tun hat, hat mit Christian Wulff zu tun und nur weniges von dem, was das Bundespräsidialamt tut, macht Christian Wulff selbst. Im Gespräch mit der Öffentlichkeit ins „man“ auszuweichen, wenn es um Entschuldigungen, Veranlassungen und Erklärungen geht, ist also recht konsequent. Es wirkt nur merkwürdig, weil wir doch eine eindeutige und uns bekannte Person sehen, die – von sich selbst – als man spricht.

Vielleicht muss man etwas mehr Verständnis dafür aufbringen, wenn Christian Wulff davon spricht, dass der Wechsel von Hannover nach Berlin nicht reibungslos verlief. Nicht nur er ist umgezogen, sondern ein ganzer Apparat musste eine „Transition“ absolvieren. Von einem Ort zum nächsten, von einer Aufgabe in die nächste. Das muss nicht immer gelingen.

Was das mit dem aktuellen Fall zu tun hat? In Wulffs Fall eigentlich gar nichts. Bei Wulff steht nicht der Amts-Apparat in der Kritik, sondern nur er persönlich. Je mehr man versucht, Erklärungen zu suchen und Verständnis zu gewinnen, desto mehr erhärtet sich das eigene Urteil über Christian Wulff.

Wie romantisch waren die Zeiten, in denen es um Parteispenden ging, also Einzelne ihren Parteidienst über ihren Landesdienst stellten. Wulff dagegen ist überhaupt nichts heilig, alles, was derzeit auf dem Tisch liegt (bequemeres Fliegen, billigeres Wohnen, schöneres Aussehen von Bettina), ist ihm anzulasten.

(Bild: Frédéric BISSON)

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

2 Kommentare

  1. Hans Hütt sagt:

    Das Ausweichen ins man, zuletzt perfektioniert durch Herrn zu Guttenberg, ist übrigens ein weiteres rhetorisches Indiz für die Ausbildung inverser Charisma-Figuren und Konjunkturen

    In Tateinheit mit dem Menscheln gibt es als Kitt oder hybride Ligatur in die desinformierte Öffentlichkeit einen Wiedererkennungseffekt mit der fatalen Folge, dass die einst geltenden Normen und Geltungsansprüche der Subsysteme zugleich geschliffen werden.

    Am Ende heißt es nur noch „anything goes“.

  2. Max sagt:

    Den Bundespräsi Wulff sägt man, soweit ich weiss, gerade ab, weil er A) eine Rede FÜR unser Grundgesetz gehalten hat und darauf hinwies dasso einige Politiker dies nicht mehr achten und B) gegen den ESM-Vertrag war und Merkel die falsche Schlange behauptet, das Sie hinter Ihm steht…das ich nicht lache..wartet nur ab, in ein paar Tagen steht Sie nicht mehr hinter ihm..Wetten, das…..und Dreck hat so gut wie jeder Politiker am Stecken..das macht Sie doch so schön erpressbar; wenn Sie nicht spuren kommt halt was ans Licht. Wulff muss also ganz und gar nicht gespurt haben, wenn man berücksichtigt wie lang das schon Hauptthema in den Medien ist….da war Fukushima sogar schneller als Hauptthema aus den Medien verschwunden.
    Tja die Macht der Konzerne……lest mal von Buckminster Fuller das Buch raubzug der Giganten, wenn ihr da überhaupt noch drankommen könnt.
    Gruss
    Max

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