Es gibt ein „Recht auf Verzeihen“

Ist das Internet eine „Speakers‘ Corner“, eine Ecke im Park mit Podium, auf der jeder einmal sprechen und schimpfen darf, worüber er will? Als Denkanstoß für den Umgang mit aktuellen Fragen, wie sie beispielsweise das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufgeworfen hat, dient die Metapher schon, mit Abstrichen und Zugaben. Es ist so: Das Internet erschwert die Unterscheidung zwischen Medien und anderen Sprechern in der Öffentlichkeit, es stellt die ganze Welt als potenzielles Publikum dar, gibt dem Sprecher aber deswegen nicht sogleich die Möglichkeit, auch tatsächlich jeden zu erreichen. Und ab wann wird die Redefreiheit des einen eigentlich gewichtiger als die Freiheit des anderen, sein Leben selbstbestimmt und privat zu gestalten?

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Apple erobert den letzten Markt

Tim Cooks Brief zum Datenschutz seines Unternehmens richtet sich insbesondere an Unternehmen, die tausend Euro pro Gerät für Sicherheit ausgeben können.

Es wird von einer Offensive gesprochen, aber es ist tatsächlich nicht das erste Mal, dass sich Apple um Datenschutz kümmert. Es ist seit langem ein bewusst gepflegtes Verkaufsargument von Apple, Steve Jobs und nun Tim Cook stellten es häufig voran. Der Brief des Apple-Chefs an die Kunden, Konkurrenten und die ganze Gesellschaft, fasst es dennoch in neuer Vehemenz: „Vor einigen Jahren haben Nutzer des Internets bemerkt, dass sie nicht die Kunden kostenloser Onlinedienste sind. Sie sind ihr Produkt.“ In diesem Punkt stimmen nun Silicon-Valley-Protagonisten und ihre schärfsten Kritiker überein. Dennoch bleibt ein Problem, dass Tim Cook ebenso in seinem Brief aufwirft. Zumindest begrifflich.

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Was Googles Transparenzbericht aussagt

Google bekommt mehr staatliche Anfragen (links), beantwortet aber einen stetig schrumpfenden Anteil (rechts).

Googles neuer Transparenzbericht ist da. In ihm steht nicht, wie Google arbeitet, Suchergebnisse filtert und sortiert, nach welchen Kriterien Google E-Mails und Hangout-Chats analysiert oder die Verwendung von Google Maps auswertet. Stattdessen veröffentlicht Google die Anzahl an Anfragen staatlicher Behörden an das Unternehmen. Die Zahl wuchs und ist in Deutschland schon vorher größer gewesen als in vielen anderen Staaten. Weltweit sei die Zahl an Anfragen um 15 Prozent in Jahresfrist gestiegen, in Deutschland um 25 Prozent. In den vergangen fünf Jahren klafften die Entwicklungen sogar noch weiter auseinander. Weltweit stieg die Zahl um die Hälfte, in Deutschland um das sechsfache. Mehr als die Summe der Anfragen (3338 für das erste Halbjahr in Deutschland) und die Quote der Ablehnungen (52 Prozent) veröffentlichte das Unternehmen allerdings nicht.

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Sogar Facebook entdeckt noch Neuland

Im April hat sich Mark Zuckerberg eine neue Maxime für sein Unternehmen ausgedacht. Nun gewinnt das neue Facebook allmählich Kontur.

Die Schlussfolgerung des Journalisten Will Oremus, der für „Slate“ über Technologie schreibt und die sozialen Netzwerke im Blick behält, ist interessant und offenbar absolut zugreffend. Bei der jüngsten Bekanntgabe der Quartalszahlen vergangenen Mittwoch nutzte Mark Zuckerberg die Frage eines Journalisten dazu, nicht nur einen Ausblick in die Zukunft zu geben. Ein Stück weit versuchte er auch, die Unternehmensgeschichte von Facebook umzuschreiben. Oremus hat die Antwort in Gänze schriftlich dokumentiert. (Man kann es auch nachhören, ab Minute 49.)

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Ja, es geht um dich!

Am Eingang zur digitalen Gesellschaft möge sich bitte jeder eine Leine abholen.

Facebook-User sind Versuchskaninchen, das wissen wir nun. Dass die Versuche am kommunizierenden Objekt alltäglich sind und ohne umfängliche ethische Kontrolle oder überhaupt fach- und sachgerechter Aufsicht durchgeführt werden, verwundert wenig. Heute Morgen gab es dann doch noch einen ungewöhnlichen Hinweis zur Qualität der Forschung: Man könne manche Forschungsergebnisse schon deshalb infrage stellen, weil man nicht wisse, ob der ein oder andere Facebook-Nutzer nicht gleichzeitig in mehreren Versuchsanordnungen Platz fand, die Manipulationen des einen Forschers also die Beobachtungen des anderen unbemerkt verfälschten.

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Schreiben und Denken

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung widmet Frank Schirrmacher morgen viele, viele Texte, um zu beschreiben, was wahr ist: Schirrmacher war ein freier und glücklicher Denker, aber er wird sein ganz spezielles Feuilleton nicht mehr täglich durchrütteln und er fehlt schrecklich. Nicht nur in den aus der Redaktion geschriebenen Texten taucht dabei immer wieder die Beschreibung einer verspielten, kindlichen Seite Schirrmachers auf. Wahrscheinlich aus Ehrfurcht ist mir das nie bewusst geworden, rückblickend wahrscheinlich, weil es sein kann, dass er mit dem Wissen über seine Wirkung auf andere gespielt hat, in seinen Texten, aber auch in Gesprächen. Alles, was er sagte, war ernst zu nehmen. Selbst wenn er wollte, hätte er sich nie davon lösen können, Frank Schirrmacher zu sein, vor allem ihm gegenübersitzende Volontäre oder Hospitanten hätten das niemals zugelassen, man hätte gar nicht gewusst, wie.

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Neue soziale Normen oder neue soziale Netzwerke?

Was Mark Zuckerberg verrät: Dass er im Zentrum eines Netzwerkes steht, wie jeder andere Mensch. Aber Facebook weiß mehr, erklärt das Wissen über das Privatleben anderer sogar zur neuen sozialen Norm, und behält es doch wieder als Geheimnis für sich.

Große IT-Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon sind nicht nur dafür bekannt, bekannte und beliebte Produkte herzustellen. Sie produzieren ebenso Zitate, die nicht sonderlich beliebt sind und wohl gerade deswegen sehr bekannt gemacht werden. Von Googles Eric Schmidt ist bekannt, dass man, was man nicht über sich im Internet sehen wollte, vielleicht gänzlich unterlassen sollte. Von Mark Zuckerberg ist bekannt, dass Privatsphäre nichts anderes sei als eine überholte soziale Norm. Die Chefstrategen sind sich einig, doch stimmt auch, was sie sagen?

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Ist Datenschutz Gedankenkontrolle?

Der obige, einminütige Ausschnitt der gestrigen Twig-Folge ist schon recht aussagekräftig, die ganze Sendung lässt sich hier nachsehen. Aber – um etwas vorsichtig an Jeff Jarvis Aussagen heranzutreten, das EuGH-Urteil bedeute „Gedankenkontrolle, Tyrannei und Propaganda“ – sacht gefragt: Hat er recht?

In einem Punkt schon. Das Urteil des EuGH ist nämlich in der Tat nicht einfach eine Ermächtigung eines Bürgers, in Googles Ergebnisliste eingreifen zu dürfen, wenn die Achtung auf den Schutz seiner Privatsphäre betroffen ist. Tatsächlich lässt sich über das Urteil nämlich auch folgendes sagen: Die Richter haben entschieden, dass Google nicht mehr die einzige (juristische) Person ist, die darüber entscheiden darf, wie die Suchergebnisse aussehen.

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Journalisten jenseits ihrer Grenzen

Glenn Greenwald, Journalist

Die Digitalisierung ist eine ganz harte Sache. Da führen sich die Hauptdarsteller weicher Professionen, beispielsweise Journalisten, schon mal selbst in die Irre. “Kann jemand gleichzeitig Journalist und Aktivist sein?” (Quellenangabe später) Oder, anders: Wie genau lässt sich Berichterstatterarbeit produktiv gestalten, wenn man sich bei den Ansprechpersonen zur Digitalisierung nur zwischen schweigsamen Unternehmen und geheimen Behörden entscheiden kann; über kurz oder lang also an Aktivisten gerät, die ihrerseits plötzlich nicht nur Digitalisierung erklären, sondern auch, was es mit der Schweigsamkeit und Geheimniskrämerei der eigentlichen Gestalter auf sich hat.

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Analoges Vertrauen durch digitales Verständnis

Die fiese Fratze der maschinenlesbaren Zeichen. Was wäre, wenn es keine Grenze zwischen Software und Literatur mehr gäbe?

Wenn Harald Welzer sagt, Vertrauen bleibe analog, auch und gerade in der digitalen Gesellschaft, können wir ihm zustimmen. Man kann nicht auf viel Sicherheit in der digitalen Kommunikation setzen, wenn man sich nicht wenigstens ein Mal tatsächlich von Angesicht zu Angesicht getroffen habe, sagt der mit der Materie vertraute Denis Ahrens. Seit Jahren führen sicherheitsbewusste Menschen daher neben Bargeld auch ihren PGP-Fingerprint mit sich, um ihn auf Papier weiterzugeben.

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Flaches Design mit ganz viel Tiefe

Microsoft: In der Zeitung lässt sich noch blättern, Sinn hat es allerdings nicht.

Die Zukunft wird eine verrückte. Es wird noch Zeitungen geben, sie werden sogar aus Papier sein – nur so verwegen, das gedruckte Wort für sich und für immer stehen zu lassen, wird niemand mehr handeln. Die an ihrer Anmut sofort als solche erkennbare Zeitung wird zum Bildschirm werden, wie die Kaffeetasse, die Fenster, jede Tischplatte und überhaupt alles auch schon welche sind. Was für den Leser Annehmlichkeiten bedeutet – er muss immerhin nie wieder umblättern -, wird auch für die Redaktionen ein Segen sein: Endlich passt alles auf Seite 1.

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