Ausgeforscht – Das Ende einer Fachzeitschrift

Fast drei Jahrzehnte schrieben Ökonomen, Soziologen und Psychologen für das auf interessante Weise ungewöhnliche Journal „Managementforschung“. Mit dem charmanten Nischenangebot ist nun Schluss. Ein Blick auf grundsätzliche Feinheiten im akademischen Publikationswesen. – Und Versuch eines Nachrufs.

In die Jahre gekommen? Einige Bände der Zeitschrift Managementforschung. Bild: Privat.

Kürzlich war zu erfahren, dass die Zeitschrift „Managementforschung“ bereits mit dem laufenden Jahrgang eingestellt werde. In einer abschließenden Stellungnahme würdigten die Herausgeber die beinahe dreißigjährige Entwicklung des Blattes und begründeten ihren Schritt – nicht ohne manches ungenau oder unerwähnt zu lassen – damit, dass das Journal seinen Zweck, die deutsche Publikationslandschaft im behandelten Themenfeld einerseits stärker an internationale Diskurse anzubinden, andererseits sich über die Grenzen der Betriebswirtschaftslehre hinaus für sozialwissenschaftliche Forschung zu öffnen, erreicht habe. Und so schrieben die Herausgeber: „Mission accomplished“.

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Zum Veranstaltungsproblem von Verfahren

Wahlen, Untersuchungsausschüsse oder Gerichtsprozesse zählen zu selbstverständlichen Phänomenen moderner Demokratien. Bezeichnet sind damit besondere Interaktionen zwischen Menschen, nämlich „Verfahren“, in denen entschieden wird, wer Recht, Geld oder Macht bekommt. Vor Gericht geht es um normierende Entscheidungen über Einzelfälle, in Verwaltungen wird über Anträge entschieden und die politische Wahl ordnet Personen bestimmten Ämtern zu. Gemeinsam ist all diesen Verfahren, dass ihr Ausgang einerseits ungewiss, andererseits aber verbindlich ist: Trotz des Einsatzes von Big-Data-Analysen können wir uns nicht sicher sein, wie andere handeln. Verträge und Vertrauen gewährleisten lediglich, dass sich nicht ständig alles ändert und sich zumindest ein großer Teil der Gesellschaft erwartungsgemäß verhält.

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Was macht die Debatten um Heimat und Gender so besonders?

Es wird viel diskutiert, aber manche Themen sind doch besondere, mit mehr Beteiligung, kontroverseren Beiträgen und weniger Aussicht auf Konsens. Zwei dieser Themen, Gender und Heimat, haben wir aufgegriffen, um es uns auf dem Glatteis ungemütlich zu machen. (Wir bemühen uns um bessere Audioqualität, aber es ist verhext. Eventuelle Trübungen des Tons tun uns leid.)

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Der berühmteste Mensch der Welt lebt in einer eigenen

Foto von angela n.

Sozioprudenz – ein neuer Begriff den man mal wieder so oder so sehen kann. Für die einen ist es eine neue Soziologie, zur Rettung der alten. Die anderen sehen sich schon wieder soziologisch potent in fremden Feldern wildern – mit Weltklugheitslehren. Soziale Intelligenz als Knackpunkt der Fachidentität, damit Nachwuchssoziologen den sachintelligenten Medizinern, Physikern und Anwälten nicht mehr nachstehen. Das kann aus der Studienstube herausführen, aber wohin? Und wenn schon soziale Intelligenz, warum dann nicht lieber dort, wo sie vor lauter sachlicher Intelligenz fehlt – also vielleicht gerade nicht in der Soziologie, sondern dort, wo wirklich – Konsum erzeugend, mit Menschenkontakt, Planungen erfüllend – gearbeitet wird. Wie auch immer. Wir versuchen uns an einer Soziologie des aktuellen amerikanischen Präsidenten.

editorische Notiz: Ton knistert ganz zu Beginn etwas. Zudem ist die Aufnahme von unterwegs, mit reduziertem Technikeinsatz.
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Abwesenheit als Krise

Tobias Sieben: Hörsaal

Was die Debatte über Anwesenheitslisten über die Situation an den Hochschulen aussagt

Working Paper 1/2018

 An den Hochschulen wird kaum eine Debatte so emotional geführt wie die über Anwesenheitslisten, diese Blätter, mit dem zu Beginn oder zum Ende einer Veranstaltung überprüft wird, wer anwesend und wer abwesend ist. Der Grund für die hitzige Debatte liegt in der Symbolik der Listen als Ausdruck  für die Anwesenheitspflicht in Vorlesungen, Seminaren und Übungen. Das Herumgeben der Listen signalisiert den Studierenden, dass man ihnen nicht zutraut, aus eigenem Antrieb in die Veranstaltungen zu kommen. Die Anwesenheitslisten sind aus Sicht der Studierenden der an den Hochschulen institutionalisierte Zweifel an ihrer Lernbereitschaft.

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Sprechendes Denken

Flickr: ☰☵ Michele M. F.

Bevor man einen Podcast beginnen kann, braucht man eine Nullnummer, um den Feed bei iTunes einzutragen, um die Software einzurichten und um – in unserem Fall – ein bisschen das Format zu besprechen. In dieser Ausgabe geht es also ums sprechende Denken, soziologisch gerahmt von Moritz‘ Erfahrungen mit täglichen Selbstgesprächen, einem Gespräch übers Strafrecht, wo sich niemand durch Abwesenheit der Interaktion entziehen darf und dem cleveren Blockchain-Einsatz, der noch bevor er vielleicht mal Institutionen verdrängt uns dabei hilft, noch mehr Interaktionen vermeiden zu können. Die Digitalisierung ist nicht nur eine Herausforderung für die Gesellschaft und ihre Institutionen, sie ist es dank Smartphone, das alles besser weiß, insbesondere auch für die Interaktion. Von daher zur Einstimmung ein Gespräch darüber, ob Gespräche noch notwendig, gewollt, erforderlich oder doch schon überflüssig sind.

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Universität und Kritik

(Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4, PDF-Version aller Tage) Heute war unser letzter Tag. Der gestern vermutete Anschluss an digitale Themen fand nicht statt. Morgens stand „Lüften“ im Programm, was hier im Norden einiges versprechen könnte, doch die Ostsee war eher gespenstisch ruhig und damit keiner weiteren Erwähnung wert. Anschließend sprachen wir über Facebook und die Sozialtheoristen, wovon es keine Mitschriften gibt die hier festgehalten werden können. Das Abendprogramm bestand aus einer zufälligen Überraschung, ich war alleiniges Publikum einer Musikaufführung: Matthias Hermann am Cello und Joachim Landkammer am Steinway-Flügel. Was gespielt wurde weiß ich nicht, die Auswahl war spontan, das Niveau war hoch und die Unschärfen machten es zu einem echten Vergnügen. Weil dazu wenig zu sagen bleibt lieber ein paar Bilder. Und dann zum Abschluss der #EineWocheZeit noch ein paar Notizen zum letzten Redner Rudolf Stichweh.

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Vorlesung als Leiden

(Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4, PDF-Version aller Tage) Wir blieben heute wieder ohne Patrick Bahners und schoben Münkler trotzdem ins Programm, aber in den Abend, ins Kaminzimmer. Im Konferenzglaskasten begann der Tag mit Hanna Engelmeier, die ein hochaktuelles und noch häufiger blindlings abgelehntes Thema mitbrachte: Die Universität als Safe Space und Free-Speech-Zone. Dass die amerikanischen Zustände unsere Debatte prägen, verhinderten wir sofort: Empirisch lieferte nämlich Rainer Wendt (der gescholtene Gewerkschaftschef, der sich als Polizist bezahlen lässt, obwohl er gar nicht als Polizist arbeitet und der sich als Gewerkschaftsführer anbietet, obwohl seine Organisation nicht mal im DGB ist) das Gesprächsmaterial. Wendt war kürzlich zum Vortrag in die Universität Frankfurt geladen, zur Gastrede kam es dann allerdings nicht. Wir haben das auf konkretestmögliche Weise nachvollzogen, indem wir zehn Minuten in die Rede reingehört haben, die der Frankfurter Studentenschaft Anlass war, um seine Ausladung zu bitten. Nur was genau ist durch diese durch Protest verhinderte Gastrede (nicht) passiert?

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Universität ohne Bücher

(Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4, PDF-Version aller Tage) Patrick Bahners war heute noch nicht da, Münkler und der für ihn geschriebene Blog war dadurch heute nur nebensächlich, blieb aber ursächlich. Es begann stattdessen mit drei dicken Büchern auf dem Tisch vor Elias Kreuzmair. Zwei davon beinhalteten studentische Kritik an der Universität, ausformuliert nach einer Hörsaalbesetzung vor einigen Jahren, die inzwischen dazu führte, dass der Rädelsführer von damals zwar die Universität verließ, seine Anhänger selbst aber Teil der Universität wurden, die sich trotz Widerstand natürlich veränderte. Kritik also, ok. Aber warum in Buchform? Wenn das Medium die Botschaft ist, hat man sich dann nicht schon vor allen Argumentationen unterworfen, wenn der rebellische Aufruf in Form einer Abschlussarbeit vorgelegt wird? Kritik wurde hier zum akademischen Leuchtturmprojekt, dem Karriere folgte, unterstellter Maßen also auch Kalkül vorausging. Nun gut, man kann es im üblichen Rahmen nachlesen, der Amazon-Suchbegriff lautet „Unbedingte Universitäten“.

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Watchblog als Zeugnis

(Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4, PDF-Version aller Tage) Eine Woche Zeit, das scheint nicht unbedingt viel zu sein um große Dinge zu klären. Aber das Setting ist dann doch etwas Besonderes: Wo sitzt man schon zusammen, zu ungefähr zwanzigst, führt eine abendfüllende Diskussion am Kamin und sieht sich schon am Morgen in ähnlichem Setting (Konferenzglaskasten) wieder, tags drauf noch mal, noch mal und dann noch mal? Vom Frühstück bis zum Abendessen, gefüllt mit Diskussionen und jeden Abend so eine Runde. Der erste Tag unserer „Einen Woche Zeit“ ist abgehakt, wir kennen uns jetzt. Ab morgen geht‘s darum, uns nicht zu langweilen. Das könnte einfach fallen, weil wir morgen mit dem Thema von heute noch mal von vorne beginnen: Wem hat „Münkler-Watch“ was gebracht und was weiß – der Punkt ist morgen neu – Patrick Bahners darüber zu sagen?

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Die Holocaustforschung beforscht sich selbst

Foto: Wolfgang Staudt: Berlin 2008, 02.08.2008

Soziologische Perspektiven auf die Probleme der Zeitgeschichtsforschung

Working Paper 16/2017

Die Holocaustforschung befindet sich im Prozess der Selbsthistorisierung. Auf der Konferenz zum zehnten Todestag des US-amerikanischen Holocaustforschers Raul Hilberg, die letzte Woche in Berlin stattfand, wurde weniger darüber diskutiert, wie man mit den originellen Fragestellungen und Herangehensweisen Hilbergs weiterarbeiten könnte. Im Mittelpunkt stand vielmehr eine Historisierung des Historikers selbst – seine Differenzen mit Hannah Arendt, die Geschichte der verschiedenen Auflagen seines Standardwerks über die Vernichtung der europäischen Juden, seine Schwierigkeiten, sein Buch übersetzt zu bekommen, oder sein Wirken auf den ersten wissenschaftlichen Konferenzen zum Holocaust.[1]

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